In der Finanzwelt redet neuerdings alles von Biodiversität, vom Verlust der Artenvielfalt und vom Rewilding und von der Regeneration – also der Wiederherstellung natürlicher, wilder Flächen. Tiere sollen wieder ein Zuhause bekommen, Pflanzen sollen sich nach Herzenslust ausbreiten dürfen. Sogar von der Transformation von Stadtflächen in urbane Lebensräume für alle und dem Rückbau industrieller Anlagen zugunsten der Natur und der Klimaneutralität ist die Rede.
Das ist richtig, wichtig, dringend, notwendig – und schwierig.
Denn der Mensch sitzt ja mittendrin. Und warum sollte er plötzlich anfangen, sich dafür zu interessieren, ob ein paar Mäuse mehr durch den Stadtpark dackeln? Genau: wegen der Mäuse.
Die Logik: Was schwierig, aber nicht unmöglich ist, verlangt nach neuen Ideen. Neue Ideen führen zu Innovationen, neuen Produkten, neuen Dienstleistungen. Innovationen zu entwickeln, kostet aber Geld. Was Geld kostet, hat (heute oder irgendwann) einen Wert. Was einen Wert hat, findet einen Markt.
Und auf dem ganzen Weg lässt sich (natürlich) auch herrlich viel Geld verdienen.
Ein idealer Spielplatz für neue, renditestarke Investments also – direkt an der Natur! Rewilding-Investments, regenerative Wirtschaft – es lebe die Nachhaltigkeit 2.0!
Natur, Regeneration und Rewilding als Investment – ist das so gut?
Meine ersten Gedanken:
- Können wir die Natur nicht einmal mit unserem Kapital-Gurk in Ruhe lassen?
- Sollte Natürlichkeit nicht eine Selbstverständlichkeit sein?
Zumindest war es das Jahrhunderte und Jahrtausende lang. Ein in die Natur eingefügter Mensch, der sich erst im letzten Jahrhundert daraus und darüber erhob – und damit allerlei Unheil über die Natur und den Planeten brachte.
Natürlichkeit sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es aber nicht mehr. Zumindest nicht in unserem industrialisierten, technologisierten und urbanisierten Alltag. Und wenn, dann vielleicht ein bisschen, aber nicht konsequent.
Rewilding und Regeneration sind superschöne Worte und sicher enorm wichtig – siehe oben – aber das „Re-“ ist eben auch der Fehler im System. Wir sind der Fehler im System.
Ist es also richtig, dass ausgerechnet Biodiversität zum Geschäftsmodell werden soll? Dass ausgerechnet der Kapitalismus und die Wirtschaft die Natürlichkeit wiederherstellen und alles richten sollen?
Ja, aus zwei Gründen:
- Machst du kaputt – machst du heile. Machst du schmutzig – machst du sauber. Wusste schon Mami, die auf gar keinen Fall mein Zimmer aufgeräumt hat. Wenn der Verursacher also die Lösung zur Heilung und Wiederherstellung bringt, dann ist das richtig. Dann müssen wir wohl oder übel auch Konzerne auf ihrem Weg zu einem besseren Dasein zumindest aushalten, wenn wir sie nicht unterstützen wollen.
Oder andersherum hörte ich in dem tollen Climate-Action-Podcast kürzlich: „Solang wir Wirtschaft so betreiben, dass negative Folgen für die Natur nicht bezahlt werden müssen, ist Artenvielfalt kein wesentlicher Faktor.“ Selten habe ich so uneingeschränkt zustimmen können. Lasst die Verursacher zahlen. Bedeutet aber nicht, dass diejenigen, die Gutes tun, nicht belohnt werden können – mit Rendite, mit wirtschaftlichem Erfolg.
Grund 2:
- Natürliches Gleichgewicht. Zur verschmutzenden und ausbeutenden Wirtschaft fehlt auf allen Ebenen immer noch eine Menge Gutes als Gegengewicht. Man muss kein Esoteriker sein und an Yin und Yang glauben, um zu sehen, dass die Natur furchtbar aus dem Gleichgewicht geraten ist. Werden also die Wiederherstellung der Artenvielfalt und Klimaschutz-Angebote wertvolle Produkte, für die Menschen bereit sind, Geld zu zahlen, ist das nicht verkehrt.
Warum sollen sich nur der Ölmagnat, der Versandmogul und der Weltraum-Narziss die Taschen vollstopfen – und nicht die Bienenretterin, der Waldbrandschützer, die Hebamme und das Meeresschildkröten-Krankenhaus? Eben. Warum sollte es bitte keine „Bienenschutz AG“ oder eine „Regenwald-Aufforstungs GmbH“ geben? Wäre doch viel schöner, wenn Elon und Jeff nicht der ganze Kuchen gehört.
Das kann man sicher auch anders sehen. Warum denen vertrauen, die zerstören? Warum ihnen nicht alles wegnehmen? Denn es bleibt ja die Tatsache, dass der Mensch im Kollektiv eher dumm ist und auch riesige Fehler macht (was auf diesem Planeten nicht mehr bewiesen werden muss). Und dass Geld den Charakter oft verdirbt (siehe Elon). Wenn wir darauf warten, dass sich das Mindset von allein bei allen und sofort ändert – ja, dann wäre der Plan gescheitert.
Aber wenn Rewildung und Regeneration denn ein natürlicher Bestandteil unserer Wirtschaft würden – und werden müssen – dann ist kein Vorbeikommen am Faktor Mensch.
Also … Wie genau geht das? Und …
Wie geht das GUT?!
Natur als Produkt ist immer dann eine schlechte Idee, wenn Rewilding und Regeneration nur zum eigenen, kapitalistischen Vorteil geschieht. Wenn Kühe als Wildtiere deklariert werden, damit man dann „wilder“ ist, aber gleichzeitig mehr davon schlachten kann, wäre das kein Rewilding. Macht ja auch keiner (oder doch?), soll nur ein Beispiel sein.
Wir müssen aufpassen, dass die Wildheit echt ist. Denn sonst manifestieren sich wieder pseudo-ethische, pseudo-grüne oder diesmal: pseudo-wilde Konzepte.
Bitte meint es so, wenn ihr Rewilding sagt. Wenn ihr Regeneration sagt, dann stellt auch effektiv Natur oder natürliche Prozesse wieder her. Im Fall freunden wir Anleger uns dann auch mit dem Gedanken an, dass Rewilding und Regeneration zwar immaterielle Konzepte, aber durchaus kapital- und renditetaugliche Anlageobjekte sind und die Natur als Asset betrachtet wird.
Ja, natürlich ist die Natur ein Asset. Und was für eins!
Eines der wichtigsten, die wir haben.
Also, ich bin dafür, Regeneration und Rewilding konsequent mit unserem Kapital zu unterstützen. Gern streiche ich dabei auch etwas Rendite ein. Denn geht es mir und meinen Liebsten gut, kann ich weiter investieren.
Apropos:
Rendite aus Rewilding und Regeneration. Aber wie?
Ja … Wie geht es? Eigentlich einfach: Alle, auch die Initiatoren von Rewilding-Fonds und regenerativen Investments, müssen dafür Sorge tragen, dass zuerst die Natur profitiert und dann wir anderen.
Zum Beispiel, indem in den Zielinvestments der Feldhamster, der Wal und der Tiger nicht mehr als Hindernis, sondern als Bereicherung verstanden und in Konzepte integriert werden. Kann ja nicht so schwer sein. Man kann ja auch alles andere berücksichtigen. Tatsächlich ist Natur „bewertbar“ – gibt ein paar schöne, wissenschaftliche Ansätze dazu.
Investmentempfehlungen für Rewilding-Fonds gibt es hier natürlich nicht, das ist nicht unser Job. Aber die Angebote sind da (Bitte wenden Sie sich an die/den Eco-Anlageberater/-in Ihres Vertrauens).
Projekte sind da, hier nur ein paar schöne Eindrücke von dem, was auf unserer Erde auch passiert:
- Rewilding Europe – https://rewildingeurope.com
- Wild Life – National Geographic (Film / Trailer Youtube)
- Peace Parks TV – Rewilding Africa
Geld haben sie alle verdient. Doch so viele haben einfach gar keins. Da schlagen sich Menschen Tage, Nächte, ihr ganzes Leben um die Ohren, um die Welt zu retten – und sehen keinen müden Euro. Das darf sich gern ändern. Impact-Fonds und privates Geld sind das beste Vehikel.
Und selbst, wenn ich mich für ein Investment entscheide, dass dann doch nicht alles richtig macht – so what? Ein guter Anfang ist wichtig. Die richtige Richtung ist wichtig. Transformation ist ein Prozess, kein Lichtschalter.
Alle Initiatoren und ihre Vertriebsleute können sich darum zumindest an der Stelle locker machen und müssen nicht auf „Teufel komm‘ raus!“ ihre Renditeversprechen schön- oder grünreden.
Denn Investoren (vor allem private) in dieser Anlageklasse sind vor allem eins: impact-getrieben. Also ich bin es zumindest. Rewilding ist mir wichtiger als Rendite. Regeneration ist für den Planeten hundertmal wichtiger als Rendite. Trotzdem gurkt es mich, wenn mein nachhaltiges Investment seit Monaten im Minus ist. Das darf der Fondsmanager gern besser machen.
Denn warum sollte Nachhaltigkeit nicht profitabel sein können. Das ist ja das Wesen der Ökonomie: So leben und arbeiten, dass es allen gut geht.
Bis dahin hilft nur: Aushalten. Aber das kann ich. Denn die Erde muss noch sehr viel mehr aushalten als mein Depot. Also folge ich der alten Börsenweisheit: Die Position gucke ich in ein paar Jahren wieder an (und hoffe, dass ich das Geld vorher nicht brauche).
Ehrlichkeit und Wirksamkeit sind gefragt. Lassen wir uns nicht abhalten, das Gute zu tun. Und wenn der Weg auch noch sehr lang ist, hilft nur, loszugehen – und jeden Schritt gut zu gehen.
Wer wissen will, wie das in Marketing und Kommunikation für Finanzprodukte geht (oder aber ganz anderer Meinung ist), kann mich gern ansprechen.
(Fotos: Pixabay / Tiger: Bild von David Mark)